Die gemeinsame Sprache, die auch trennt


Auch in der Schweiz wird mehrheitlich Deutsch gesprochen, zwischen Deutschen und Schweizern gibt es jedoch ähnlich viel Trennendes wie zwischen Deutschen und Österreichern.

Gerade weil alle drei Länder eine gemeinsame Sprache haben, wird von den Benutzern erwartet, dass sie mehr Verständnis füreinander aufbringen, als sie es gegenüber Angehörigen anderer Nationen tun würden. Doch liegt hier auch das Problem: Mit den Ansprüchen steigt die Sensibilität: Wo einem Fremdsprachigen mancher Lapsus – nicht nur in seiner Wortwahl, auch in seinem Verhalten – nachgesehen wird, hört und schaut man beim Redner derselben Muttersprache ganz genau hin.

Eine Frage der Einstellung

Schon der Umgang mit der Sprache verrät einiges von der Einstellung ihres Sprechers. Das zeigt folgende Geschichte:

Lern erst mal richtiges Deutsch!

In der ersten österreichischen Fußballliga trafen der landesweit ungeliebte Retortenclub Red Bull Salzburg und der Wiener Traditionsclub FC Admira aufeinander. 4 : 4 hieß es am Ende eines aufregenden Spiels. Das Duell wurde im Kabinengang fortgesetzt: von den Trainern. Salzburgs deutscher Übungsleiter Roger Schmidt beschied seinem im Burgenland geborenen Kollegen Dietmar Kühbauer, er solle erst einmal „richtiges Deutsch“ lernen. Kühbauer war zutiefst beleidigt und konterte, dass „man in Salzburg und in ganz Österreich Dialekt spricht“. Schmidt solle „nicht glauben, dass er mit seinem Deutsch über uns Österreichern steht“.

Dass Schmidt mit seiner Verbalattacke dem Kollegen wie auch dessen Landsleuten vor den Kopf gestoßen hatte, steht außer Frage. Kühbauers Aussage hingegen, so verständlich sie war, enthält ebenfalls einen Fehler, denn die österreichische Sprache ist viel mehr als ein „Dialekt“. Weder Dünkel noch Minderwertigkeitskomplex

Was können Sie aus dem Sprachstreit lernen?

- Als Deutscher sollten Sie Österreichern und Schweizern gegenüber keinen Dünkel an den Tag legen. Ihr Deutsch ist kein bisschen besser als dasjenige, das in den beiden Nachbarländern gesprochen wird. Sie haben zwar Recht, wenn Sie meinen, Hochdeutsch zu sprechen. Doch das tun Österreicher und Schweizer auch!

- Das in Österreich gesprochene Deutsch ist kein Dialekt. Es ist, wie die Sprachwissenschaft es formuliert, eine Varietät des Hochdeutschen. Auch die in verschiedenen Regionen Deutschlands anklingenden Färbungen sind Varietäten des Hochdeutschen.

- Schwyzerdütsch mag sich für deutsche Ohren wie eine Verniedlichungsform anhören. Seine Sprecher werden daher oft nicht für voll genommen – und ärgern sich darüber. Zu Recht: Schwyzerdütsch ist mitnichten ein Dialekt, sondern ebenfalls eine Varietät des Hochdeutschen.

- Österreicher und Schweizer brauchen wegen ihrer Sprache gegenüber Deutschen keinen Minderwertigkeitskomplex zu entwickeln. Als Betroffene(r) müssen Sie das Thema nicht von sich aus anschneiden. Falls Ihnen aber ein Deutscher daherkommt wie der allzu forsche Herr Schmidt, dürfen Sie ihn sehr wohl zurechtweisen: höflich, aber bestimmt mit den oben angeführten Argumenten.

Dürfen Sie die Einheimischen nachahmen?

Bleiben wir noch kurz bei der Sprache. In vielen Benimm- Ratgebern wird davor gewarnt, die Einheimischen zu kopieren. Warum sollten Sie das nicht tun? Auch wenn Sie in Berlin, Wien oder Zürich sind, können Sie sich manches von den Einheimischen abschauen. Doch Vorsicht! Hören Sie genau hin. Und formulieren Sie ungewohnte Wörter erst, wenn Sie des fremden Idioms sicher sind.

Ziehen Sie vor allem nichts ins Lächerliche, etwa indem Sie in der Schweiz an alle Wörter eine „li“-Verkleinerung hängen. Auch Österreicher scherzend mit Titeln (Herr Hofrat, Herr Diplooomingenööör) zu belegen, die die oder der Angesprochene nicht führt, würde als Versuch gedeutet, sich über sie lustig zu machen. Ähnlich sauer dürfte es einem Deutschen aufstoßen, würde sein angeblicher Militarismus durch Hackenschlagen und soldatischen Slang („Achtung!“, „Zu Befehl!“ und „Jawoll!“) karikiert.